Warum musste Jesus leiden?
Widerstreitende Gottesbilder schon im MittelalterVortrag über den Sinn des Leidens Christi im Pfarrheim
"Warum musste Christus grausam am Kreuz sterben?" Dieser häufig gestellten Frage und ihren theologischen Begründungen ging Pater Dr. Raynald Wagner aus München in einem von Frauenbund und Pfarrgemeinderat organisierten Vortrag, zu dem zahlreiche Interessenten erschienen waren, nach. Pater Wagner, der dem Franziskanerorden in München angehört, stellte das von Cosmos Damian Asam gestaltete Hochaltarbild in der Kirche seines Konvents an den Anfang seiner Ausführungen. Der Maler stellt darin das Glaubensgeheimnis der Verkündigung dar und zeigt zur Verdeutlichung, wie Gottvater das Jesuskind auf die Erde herab sendet, das bemerkenswerter Weise bereits das Kreuz in seinen Händen trägt .Diese enge Verbindung von Menschwerdung und Kreuzestod , die sich auch in vielen Krippendarstellungen findet, ist auf einen wichtigen Kirchenlehrer des Mittelalters zurückzuführen, nämlich Anselm von Canterbury, der von 1033 bis 1109 gelebt hat. Dieser war der Meinung , dass es unumgänglich notwendig war, dass Christus am Kreuze sterben musste. Denn das war seiner Ansicht nach der einzig mögliche Weg, die Menschheit mit Gott zu versöhnen. Diese "Satisfaktionslehre" hat sich lange, vor allem auch in religiösen Texten und Liedern, gehalten. Begründet hat Anselm von Canterbury seine Lehre damit, dass Gott durch Adams Sündenfall entehrt wurde. Da sich die Entehrung nach dem Rang des Beteiligten richtet, der bei Gott unendlich hoch ist, konnte nur ein Gottmensch, also Christus, durch sein Leiden und Sterben die Wiedergutmachung leisten. Zu bedenken ist allerdings, dass Gottvater, folgt man dieser Annahme, sehr negativ, nämlich als zornig, unbarmherzig und ein zum Opfer seines Sohnes bereiter Vater charakterisiert wird. An diesem Gottesbild haben sich viele Kritiker zu Recht gestört. Einer der heftigsten war der mittelalterliche Franziskanertheologe Johannes Duns Scotus, der zweihundert Jahre nach Anselm lebte .Er konnte nicht nachvollziehen, dass es Gottes Wille gewesen sein soll, dass sein Sohn leiden und sterben musste. An dieser Erklärung störte ihn auch, dass die Menschen dann bloße Handlanger Gottes gewesen wären .Demzufolge könnte Judas, der diesen "Heilsplan" ermöglichte , sogar als Heiliger gesehen werden, wie es in altorientalischen Kirchen tatsächlich geschehen ist. Nach Meinung von Duns Scotus war die Menschwerdung Christi aber von Anfang an in der Schöpfung vorgesehen, weil Gott "Mitliebende" wollte. Die vollkommenste Form eines mitliebenden Geschöpfes ist Christus , der auch das Ziel hat, die Menschen auf Gottes Liebe hinzuweisen. Allerdings ist die Kreuzigung Christi eine geschichtliche Tatsache, die Duns Scotus mit der Freiheit der Menschen zu eigenständigen Entscheidungen erklärt. Christi Leben hätte nicht unbedingt mit der Hinrichtung enden müssen, da seine Botschaft sehr friedfertig ist. Dennoch nahmen vor allem die Mächtigen Anstoß an ihr, da sie auch die von ihnen Ausgestoßenen und Verachteten mit einbezieht. Deshalb brachten sie Christus vor Gericht. Diesem aber war seine Botschaft von der Liebe so wichtig, dass er nicht schweigen und sie so verraten wollte, sondern lieber freiwillig den Tod in Kauf nahm. Damit ist er zu einem idealen Mitliebenden geworden . Heute ist das Bild vom liebenden Gott , das auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. in seinen Schriften immer wieder betont hat, in der Theologie vorherrschend. In der Volksfrömmigkeit hat es sich aber noch nicht ganz durchgesetzt. Am Ende seines Vortrags bot Dr. Wagner die Möglichkeit zur Diskussion, von der rege und interessiert Gebrauch gemacht wurde. Mit einem kleinen Präsent bedankten sich dann die Vorsitzende des Frauenbundes Elisabeth Meier und die Bildungsbeauftrage Theresa Winderl beim Referenten. |
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